Windkraft in Eisfeld?
Leserbrief. Seit letztem Jahr kursierten immer wieder Gerüchte, doch nun ist die Katze aus dem Sack. Nach der öffentlichen Stadtratssitzung am 1. September 2020 ist klar, Eisfeld wurde als Standort für neue Windkraftanlagen auserkoren. Zwar sind für die Öffentlichkeit noch nicht alle Details zugänglich, aber der Kern der Absichten der Betreibergesellschaft ist jetzt abzusehen. Als konkreter Standort ist eine Fläche vom Höhenzug gegenüber dem Stelzner Berg in Richtung Bärenthal/Schalkauer Straße in Planung. Dabei handelt es sich zu 80 Prozent um Kommunalwald der Stadt Eisfeld. Die restlichen 20 Prozent Flächenanteile sollen von angrenzenden Grundstücken privater Eigentümer gepachtet werden.
Nun ist die Verpachtung von Land für die Errichtung von Windrädern offensichtlich sowohl für die privaten Landbesitzer als auch für die Kommune außerordentlich reizvoll, denn die Betreibergesellschaft lockt mit satten Geldbeträgen. So könnte sich plötzlich wie im Märchen ohne Müh, Plag und eigenes Zutun ein Goldesel einfinden und Dukaten scheißen. Es ist also nicht verwunderlich, dass dies offensichtlich auf offene Ohren stößt und für positive Stimmung beim Eisfelder Bürgermeister und einigen Stadträten sorgt.
Bei den betroffenen privaten Landbesitzern dürfte diesbezüglich sogar blanke Goldgräberstimmung herrschen. All das ist verständlich und nachvollziehbar, aber gleichzeitig sollte allen Beteiligten klar sein, dass wir eben nicht in einer Märchenwelt, sondern in der knallharten Wirklichkeit leben. In dieser realen Welt werden nur sehr selten großzügige Geschenke gemacht; Exkremente bleiben das, was sie sind und werden nicht zu Gold. In der Realität muss irgendjemand die Rechnung für vergebene Wohltaten zahlen.
Im konkreten Fall bezahlen die Eisfelder Bürger und zwar mit dem Erholungs- und Freizeitwert ihrer Umgebung. Denn nach dem Bau von bis zu sechs Windrädern dürfte der Stelzner Berg als Naherholungsgebiet vollkommen unattraktiv werden. Da jedes dieser Windräder eine Gesamthöhe von über 200 Metern (mit Rotoren) aufweisen soll, würden sie die gesamte Landschaft dominieren und von vielen Standorten aus nicht zu übersehen sein. Doch damit allein ist die Rechnung noch nicht beglichen. Neben dem notwendigen Verbau und der Versiegelung von bisher naturbelassener Fläche, dem Fällen von gesunden Bäumen und massiven Auswirkungen auf Flora und Fauna der Umgebung, ist mit großflächiger Belastung durch Infraschall zu rechnen. Dieser ist zwar im Gegensatz zu Straßenlärm kaum oder nicht zu hören, die gesundheitlichen Auswirkungen auf Menschen werden aber zumindest kontrovers diskutiert. Letztendlich könnte sich auch die Attraktivität und damit der Verkaufswert von Immobilien in bestimmten Lagen der Stadt stark reduzieren, was für betroffene Eigentümer sicher kein Grund zur Freude wäre.
In der Bilanz stehen also die genannten Nachteile dem Vorteil einer finanziellen Spritze für den Haushalt der Stadt gegenüber. Mit zusätzlichem Geld kann man natürlich einiges bewirken wie z.B. Wunschprojekte auf den Weg bringen, bestehende Verbindlichkeiten abbauen und einiges mehr. Die Entscheidung für oder gegen den Windpark ist also alles andere als einfach, wie das Eisfelder Ratsmitglied Marco Langbein in einem Leserbrief in der Südthüringer Rundschau vom 8. September 2020 aus seiner Sicht dargelegt hat.
Dabei stehen Bürgermeister und Stadträte zusätzlich unter zeitlichem Druck, denn die Entscheidung über das Für und Wider soll noch bis Ende dieses Jahres durchgeboxt werden. Bei einem solch massiven Eingriff in die Interessen aller Bürger der Stadt sowie der umliegenden Ortschaften wäre aber dringend anzuraten, die Betroffenen, das heißt alle Einwohner der Stadt sowie der angrenzenden Gemeinden nach ihrer Meinung zu befragen und sich bei der Entscheidungsfindung keinesfalls unter zeitlichen Druck setzen zu lassen.
Deshalb an dieser Stelle der dringende Appell an die Entscheidungsträger: Nutzen Sie das demokratische Instrument einer Bürgerbefragung, bevor Sie unumkehrbare Tatsachen schaffen und möglicherweise den Willen der Mehrheit ignorieren! An alle Bürger der Stadt sowie der umliegenden Gemeinden sei hiermit der Appell gerichtet: Informieren Sie sich, bilden Sie eine Meinung zu Ihrer Interessenlage und beteiligen Sie sich an einer Entscheidungsfindung!
Horst Vogt
Eisfeld
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