Zum Leserbrief „Die SPD ist nichts mehr wert“
Antwort auf Leserbrief „Die SPD ist nichts mehr wert“ von Hans-Jürgen Salier, erschienen in der Südthüringer Rundschau am 30. Januar 2020
Leserbrief. Sehr geehrter Herr Salier, als Sie Ihren Artikel mit einer Tirade gegen die SPD und DIE LINKE verfassten, konnten Sie natürlich noch nichts von dem Ausgang der Wahl eines Thüringer Ministerpräsidenten wissen. Das war gelinde gesagt ein Desaster.
Das war ein Angriff auf die Demokratie. Hauptsache einen linken Ministerpräsidenten verhindern, das war der Tenor der CDU und der FDP. Da war es offensichtlich egal, mit welchem Teufel man den Pakt schließt. Ist es besser, einen Kandidaten aufzustellen, dem man dann nicht einmal eine Stimme gibt? Um einen Ministerpräsidenten aus einer Partei heraus zu wählen, die sich geradeso im Landtag positionieren konnte, war halt jedes Mittel recht. Auch wenn es die Partei ist, mit der man angeblich nichts, aber auch gar nichts zu tun haben will. Jeder gesunde Menschenverstand hat erkannt, welches Kalkül die AfD in Betracht gezogen hat. CDU und FDP haben sich vorführen lassen.
Mit dem Rückschluss auf die Wahl in Thüringen kann man nur sagen, dass sich die Hildburghäuser SPD mit ihrem Entschluss, keinen eigenen Kandidaten aufzustellen, richtig verhalten hat. Sicherlich kann mancher dazu eine andere Meinung haben, aber 3 Kandidaten sind wohl genug. Und es geht nicht darum, wie viele Kandidaten aufgestellt sind, sondern wer besser für das Bürgermeisteramt in Hildburghausen geeignet ist.
Und noch zu Ihrem Verhältnis zur Linkspartei. Es ist schon erstaunlich, dass Sie sich zu den politisch aufmerksamen Bürgern zählen.
Vielleicht mal zur Erinnerung: Ich kenne genügend Leute, die früher stramme Genossen in der SED waren und heute die CDU, die FDP und selbst die SPD bereichern. Ja, und was ist eigentlich mit den Mitgliedern der ehemaligen Blockparteien? Sie waren keinesfalls Oppositionsparteien in der DDR. Sie haben politische Verantwortung Seite an Seite mitgetragen.
Das Schlimme daran ist, dass sie heute die besseren Mitglieder sein wollen. Sie denken, so wie sie es vergessen haben, haben es andere auch. Ich habe in meinem Leben genug Hartliner ertragen müssen. Wohlgemerkt, ich gehörte und gehöre keiner Partei an. Und ich bin ganz bestimmt nicht mit allem in der DDR einverstanden gewesen.
Kann man so einfach eine Gesinnung ablegen, weil man in einer anderen Partei untergekrochen ist? Und wenn man von sich behauptet, Lehren aus der Vergangenheit gezogen zu haben, weshalb gesteht man es dann anderen nicht auch zu? Aber noch schlimmer, genau diejenigen, die heute wollen, dass DIE LINKE über einen Unrechtsstaat sprechen soll, haben ihn damals mitgetragen. DIE LINKE ist spätestens seit ihrer Gründung keine reine Nachfolgepartei der SED mehr; sie hat auch viele westdeutsche Mitglieder ohne ostdeutsche Vergangenheit. Ebenso kommt eine Vielzahl junger Mitglieder hinzu, die die DDR nie kennengelernt haben.
Es gibt heute genügend Unrechtsstaaten, wo Menschenrechte massiv mit Füssen getreten werden. Damit hatte Deutschland noch nie Probleme, Saudi Arabien, Brasilien usw. Es wird vor den Augen der Welt geköpft, gemordet und geputscht. Gibt es da einen Aufschrei? Das ist wahre Heuchelei.
Und vergessen Sie bitte auch nicht, dass ungezählte Nazis in der CDU willkommen waren. Selbst Bundeskanzler Kiesinger gehörte der NSDAP an. Diese Tatsachen vergessen bestimmte politisch interessierte Bürger. Es ist wohl nur brauner Schnee von gestern. Aber das nur nebenbei.
Ein Teil der AfD-Wähler erleben den soziale Abstieg hautnah und fühlen sich von den sogenannten Volksparteien im Stich gelassen. Und das ist bei vielen der Wähler ausschlaggebend, ihre Stimme der AfD zu geben. Es sind bestimmt nicht alle Nazis. Diese Menschen sehen sich konfrontiert mit prekären, schlecht bezahlten Arbeitsplätzen, niedrigen Renten, Kinderarmut, Suppenküchen, schlechte Bildung.
Aber die Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen hat gezeigt, wie sie von dieser Partei missbraucht werden. Denn die AfD wird nach ihrem bisherigen Taktieren niemals den menschenverachtenden Kapitalismus als Grundübel angreifen und deshalb auch niemals die sozialen Belange ihrer Wähler in Angriff nehmen. Ich hoffe sehr, dass auch bei diesen Bürgern ein Nachdenken nach dieser Wahl angekommen ist.
Die AfD wird weiter Stimmen gewinnen, solange diese Parteien (CDU, FDP, SPD) nicht begreifen, dass sie die sozialen Probleme der Menschen endlich anpacken müssen.
Für meine Heimatstadt wünsche ich mir bei der Bürgermeisterwahl, dass kein Vertreter (-in) einer faschistischen Partei zum Vorreiter einer Entwicklung in Deutschland wird, die schon einmal Deutschland in den Abgrund stürzte. „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ (B. Brecht).
Liane Freund
Hildburghausen
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